Wird Blockchain die Welt verändern?

Dr. Dirk Siegel, Partner and Leader Blockchain Institute bei der Deloitte Consulting GmbH
Veröffenlicht in: DiALOG - DAS MAGAZIN FÜR ENTERPRISE INFORMATION MANAGEMENT | MÄRZ 2019

In den letzten Jahren tauchte der Begriff Blockchain vielfach in den Schlagzeilen auf.
Die Technologie ermöglicht ein globales Register, das Besitzverhältnisse unmissverständlich zuordnet und mit dessen Hilfe Werte bei Bedarf sekundenschnell transferiert werden können. Blockchain funktioniert dabei ohne Zwischeninstanzen wie Staaten oder Banken, da das Netzwerk auf einer hohen Zahl von Computern dezentral organisiert werden kann und somit praktisch unveränderbar ist.
Nicht wenige Experten gehen davon aus, dass Blockchain bestehende Geschäftsmodelle ganzer Branchen revolutionieren und vielleicht sogar die Welt verändern könnte. Die Zahl neuer Anwendungsfälle in verschiedensten Bereichen nimmt rasant zu.

Was ist Blockchain?


Im Wesentlichen handelt es sich bei einer Blockchain um eine verteilte Transaktionsdatenbank. Sie wächst, indem sich ein digitaler Transaktionsblock an den anderen hängt. Damit hat jeder Block genau einen chronologischen Vorgänger und einen chronologischen Nachfolger. Die einzelnen Blöcke sind über einen sogenannten Hash verbunden - ein eindeutiger digitaler Fingerabdruck der im Block enthaltenen Daten, der sicherstellt, dass eine spätere Veränderung der Daten nicht unbemerkt bleiben kann. Aus dieser digitalen Verkettung entsteht eine Liste, die die ihren Benutzern zugeordneten Werte sowie sämtliche abgespeicherten Datensätze zu jedem Zeitpunkt dokumentiert: ein globales Transaktionsregister.

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Damit wird die Blockchain zu einem gewaltigen digitalen Datensatz, der chronologisch aktualisiert wird und Transferaktivitäten innerhalb eines Netzwerks von Teilnehmern – kryptographisch versiegelt – archiviert. Im Gegensatz zu herkömmlichen Datenbanken befindet sich die Blockchain dabei nicht auf einem einzelnen Server, sondern alle Teilnehmer des Netzwerks besitzen eine vollständige, zu 100 Prozent identische Kopie der kompletten Blockchain in ihrem lokalen Speicher. Die Richtigkeit der gespeicherten Daten wird durch definierte Abstimmungsmechanismen überprüft. Sämtliche Transaktionen zwischen den Teilnehmern bedürfen keinen vertrauensbildenden Intermediären wie Banken, Notare oder Staaten; die daraus resultierende Automatisierung von Geschäftsprozessen führt zu Zeit- und Kostenersparnissen.

Die bekannteste und erste Anwendung einer Blockchain ist die Kryptowährung Bitcoin. Eine Person oder Gruppe mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto hatte die Software dafür 2008 entwickelt. Mittlerweile wurden unzählige weitere Anwendungen der Blockchain entdeckt und vermarktet.
Angefangen mit dem Finanzdienstleistungssektor als Pionier ziehen nun auch weitere Industrien nach. Blockchain ermöglicht es, Geschäfte ohne die Notwendigkeit von Intermediären, durch Peer-to-Peer Transaktionen und automatisiert über sogenannte „Smart Contracts“ durchzuführen. Als Ergebnis können viele Unternehmensgrenzen überschreitende Prozesse wie zum Beispiel der Wertpapierhandel oder Handelslieferketten revolutioniert werden. Prominente Projekte im Bereich Blockchain sind zum Beispiel die Blockchain Insurance Industry Initiative (B3i), Maersk oder DNV GL, die in ihren jeweiligen Industrien Versicherungen, Handelslogistik und Zertifizierungen die Blockchain dafür nutzen, Prozesse transparenter, effizienter und sicherer zu machen.

Was bedeutet Blockchain für Unternehmen?

Die ersten Experimente und Anwendungen mit Blockchain zeigen: die Technologie wird viele Geschäftsmodelle grundlegend verändern. Bisher angenommene Voraussetzungen oder Hindernisse müssen für bestehende Industrien neu überdacht werden. Das kann man besonders im Bereich Kollaboration beobachten: wo ein Unternehmen traditionell für sich selbst und im Ausschluss seiner Wettbewerber gearbeitet hat, ruft Blockchain zur Zusammenarbeit zwischen Unternehmen auf. Es haben sich bereits große Blockchain-Konsortien gebildet, z.B. die Energy Web Foundation in der Energieindustrie oder MOBI im Mobilitätssektor. Neue Geschäftsmodelle werden in Zukunft immer häufiger in Netzwerken statt innerhalb einzelner Unternehmen oder fragmentierter Plattformen stattfinden.

Herausforderungen bei der Entwicklung von Blockchain-Anwendungen


Unternehmen sind aktuell in der Phase, das Potenzial der Blockchain- Technologie für die eigenen Geschäftsmodelle zu identifizieren und erste Anwendungen zu pilotieren. Bis diese skalieren und die Technologie ihre komplette Wirkung entfalten kann, gibt es jedoch noch einige Hürden zu überwinden. Im Bereich der Technologie gibt es einige Unsicherheiten im Hinblick auf Plattformen, Skalierbarkeit und Sicherheit. Verschiedene Blockchain- Plattformen bieten unterschiedliche Lösungsansätze für die Fragen nach Skalierbarkeit und Sicherheit. Allerdings gibt es noch keinen Konsensus oder eine allgemeine Präferenz für eine bestimmte Blockchain-Plattform, sodass Interoperabilität eine wichtige Überlegung für Unternehmen darstellt. Auch im rechtlichen Bereich warten Marktteilnehmer noch auf regulatorische Richtlinien und richtungsweisende Urteile. Ein internationaler rechtlicher und regulatorischer Rahmen wird die Entwicklung von Blockchain- Anwendungen weiter befeuern.

Die Zukunft der Blockchain in Unternehmen

Die Blockchain ist natürlich kein Allheilmittel für alle Herausforderungen im Markt. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei Blockchain um eine aufkommende Basistechnologie, die ein immenses Disruptionspotenzial in sich trägt. Entscheidungsträger in Unternehmen aller Industrien und Geschäftsfelder sollten sich darum bereits jetzt mit den möglichen Anwendungsfeldern der Technologie beschäftigen, um potentiell effizientere Abläufe zu erzielen und nicht von neuen Geschäftsmodellen überrascht zu werden. Die Empfehlung im ersten Schritt ist, eine Diskussion über die strategische Ausrichtung hinsichtlich Blockchain zu führen. Die daraus resultierende Wirkungsanalyse auf das Geschäftsmodell und die Definition von Handlungsoptionen sind eine solide Basis, um erste Anwendungsfälle für das eigene Unternehmen nicht nur zu identifizieren, sondern auch erfolgreich umzusetzen. Hierzu sind der nachhaltige Aufbau des internen Leistungsvermögens und die Einbindung der erforderlichen Interessensgruppen nötig. Dazu muss für jede Blockchain-Initiative ein funktionierendes internes sowie externes Ökosystem geschaffen werden, da für den erfolgreichen Einsatz einer so jungen Technologie der Austausch von Ideen, Möglichkeiten und Modellen unerlässlich ist. Die unternehmens-/ industrieübergreifende gegenseitige Befruchtung folgt einem ursprünglichen Blockchain-Prinzip und kann somit eine weitere, nicht-technologische Revolution in den Zusammenarbeitsmodellen unseres Wirtschaftssystems darstellen.

Deloitte erbringt Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Risk Advisory, Steuerberatung, Financial Advisory und Consulting für Unternehmen und Institutionen aus allen Wirtschaftszweigen; Rechtsberatung wird in Deutschland von Deloitte Legal erbracht. Mit einem weltweiten Netzwerk von Mitgliedsgesellschaften in mehr als 150 Ländern verbindet Deloitte herausragende Kompetenz mit erstklassigen Leistungen und unterstützt Kunden bei der Lösung ihrer komplexen unternehmerischen Herausforderungen. Das Deloitte Blockchain Institute bringt Kunden mit Deloitte-Experten zusammen und begleitet Blockchain-Projekte von der Strategie bis zur Umsetzung.
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